EMS - equines metabolisches Syndrom: die enträtselte Wohlstandskrankheit

Das equine metabolische Syndrom (EMS) hat seinen Namen von dem metabolischen Syndrom des Menschens übernommen, weil das entgleiste System das gleiche ist: das der Insulinregulation.

 

Die schlimmste Folge beim Menschen ist der Herzinfarkt, beim Pferd die Hufrehe.

Gleiche klinische Symptome sind Übergewicht und abnorme Fettablagerungen, Insulinresistenz (was beim Menschen zu Diabetes Typ II führt) und Gefäßerkrankungen (die beim Menschen den Herzinfarkt verursachen). Auch wenn noch nicht alle Faktoren abschließend erklärbar sind, ist inzwischen in mehreren Studien nachgewiesen, dass Insulinresistenz beim Pferd zu Hufrehe führt.

Vorbelastende Faktoren bei Pferden:

  • Zu hochwertige Fütterung, die zu Fettleibigkeit führt

Seit Jahrhunderten versucht man, die Pferde auf eine gute Energieauswertung des Futters zu züchten, weil Futter immer teuer und kostbar ist. Dies hat viele leichtfuttrige Rassen hervorgebracht. Isländer können von Flechten und Moos auf Steinen leben, Haflinger sind als genügsame Bergponys gezüchtet, Shetland Ponys wurden unter Tage als Grubenponys genutzt – überall war das Futter denkbar knapp. Gleiches gilt für südländische Rassen wie Araber oder Spanier, die in Wüstenregionen gezogen wurden.

Unterm Strich kann man sagen, dass die meisten modernen Rassen zu den leichtfuttrigen gehören, außer unseren klassischen Warmblütern oder einzelnen schwerfuttrigen Pferden, die oft eher nervöse Typen sind und nur schwer die Ruhe finden um genügend zu fressen.

  • Zu wenig sportliche Bewegung

Viele Pferdebesitzer wollen ihren Tieren etwas Gutes tun, indem sie nicht reiten: Bodenarbeit, Zirkuslektionen, Stangenarbeit, Spazierengehen, Aktiv- oder Bewegungsstall. Das Problem ist dabei nur, dass der Stoffwechsel lange Zeit unbemerkt darunter leidet – denn solange keine körperliche Anstrengung verlangt wird, wird kein Zucker verbrannt und der Insulin-Stoffwechsel kommt nicht in Gang. Das Pferd wird zwar jeden Tag „gearbeitet“, wird aber trotzdem immer dicker und entwickelt vor den Augen des Besitzers ein metabolisches Syndrom.

 

Das Stoffwechselproblem:

Diagnostik: Maßgeblich für das metabolische Syndrom ist eine vorliegende Insulinresistenz

Insulin und Glukose (Blutzucker) sind sehr empfindlich und reagieren schon auf geringen Stress (z.B. bei Blutentnahme) mit einem Anstieg, der die Werte verfälschen kann. Deshalb macht es keinen Sinn, einmalig den Basiswert zu bestimmen.

Empfohlen wird daher ein Zuckerbelastungstest (OGT = oraler Glucose-Test), ähnlich dem des Menschen: Zuerst wird ein Nüchtern-Insulin-Wert genommen, das heißt das Pferd sollte über 8 Stunden hinweg kein Futter haben – beispielsweise über Nacht oder tagsüber auf dem Paddock. Dann wird eine bestimmte Zuckermenge zugeführt, entweder als Sirup oder als Zuckerlösung.

Nach 2 Stunden erfolgt eine zweite Blutentnahme für Insulin und Glucose.

Therapie: Sport und Diät!

 

Die einzigen effektiven Maßnahmen, um den Zuckerstoffwechsel und die Insulinsensibilität wieder in eine normale Funktion zu bringen, sind eine Gewichtsreduktion durch kontrolliertes Futterangebot und körperliche Belastung – vor allem, solange noch keine Bewegungseinschränkung durch eine Hufrehe vorliegt.

Diät bedeutet, dass die Pferde nur die nötige abgewogene Menge Heu bekommen, eventuell zur Verlängerung der Fressdauer mit einem Anteil Stroh. Gras und Heu sind sehr hochwertige und hochenergetische Futtermittel, weil durch jahrzehntelange Gräser-Selektion körnerreiche Gräser überwiegen – immerhin sind diese Gräser die Vorläufer unserer Getreidesorten. Es gibt kein Müsli (vor allem kein spezielles EMS-Müsli, da diese Produkte zwar oft zuckerarm aber sehr fettreich sind), keine Leckerlies, Karotten, Äpfel, Brot etc.

Bei reiner Heufütterung ist die Gabe eines hochwertigen Mineralfutters unbedingt erforderlich. Besteht kein extremer Mangel, gibt es empfehlenswerte Mineralfutter, die für eine adäquate Versorgung mit Spurenelementen sorgen, zum Beispiel Nutraxin von Böhringer.

Sport bedeutet, dass die Pferde zumindest schwitzen. Für einen gesunden Stoffwechselkreislauf und ein Vermindern oder Verhindern der Insulinresistenz reichen bereits 5x pro Woche 30 Minuten Belastung. Je nach orthopädischem Status, wird ein Trainingsplan erstellt. Hatte das Pferd kürzlich einen Reheschub oder ist Trab und Galopp aufgrund des Übergewichtes eine zu große Belastung für die Gelenke, wird mit einem Schrittprogramm (z.B. Equikinetic) gestartet. Dann geht es weiter mit 3x pro Woche leichte Arbeit, der Trainingsplan wird fortlaufend an den Zustand des Patienten angepasst.

 

Von der Verabreichung biochemisch wirksamer Substanzen wie Metformin, Schilddrüsenhormonen, Trilostan oder Spurenelementsupplementen wie Vanadium, Chrom oder Mangan wird ohne Indikation dringend abgeraten.

 

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© Bernadette Bracher